Sonntag, 06 Oktober 2002 | 45.40.279

23.40.279

Bundespräsident Johannes Rau
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse
Bundeskanzler Gerhard Schröder
Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier
Bundesratspräsident Klaus Wowereit

Sehr geehrte Herren,

für die Kapitäne von Schiffen oder Flugzeugen wie für die 'Kapitäne der Landstraße' etc. gelten ganz bestimmte
Betriebs- und Bedienungs-Anweisungen bzw. Verhaltens- und Verkehrs-Regeln;

das ist im Prinzip für die Führung unseres Staats-Schiffs nicht anders; die diesbezüglichen Regeln und Anweisungen ergeben sich aus unserer Verfassung;

'Der Aufschwung läßt auf sich warten - So geht's nicht weiter - Warum versagt der Staat ?' - das sind nur einige der Schlagzeilen und Schlagworte aus den Zeitungen und Reden der letzten Tage, auch aus Ihren eigenen;

ich gehe daher davon aus, daß die dem zugrunde liegende Situation von Ihnen auch nicht bestritten wird;

seit 1994 mache ich allgemein durch meine journalistischen und publizistischen Aktivitäten, insbesondere aber auch Sie persönlich in Gesprächen bzw. schriftlich und vor allem auch in mehreren Verfassungsbeschwerden darauf aufmerksam,

daß wir in diese Situation nicht deshalb geraten sind, weil irgendwelche Rezepte und/oder Konzepte etc. fehlten oder dieses besser oder schlechter sei als jenes,

sondern weil Sie ganz persönlich,
sehr geehrte Herren 'Kapitäne',
sich nicht an die spezifischen Anweisungen und Regeln unserer Verfassung halten

- ohne daß Sie bisher auf meine Hinweise und Vorschläge, meine Angebote zur Beratung und Hilfe etc. eingegangen wären,

obwohl meine Einschätzung und Bewertung der Lage durch die Entwicklung in mehrfacher Hinsicht bereits bestätigt wurde

und obwohl Sie doch selbst bei jeder passenden Gelegenheit auch dazu aufrufen: wer was weiß, soll sich melden, wer mitwirken will, soll kommen, etc.;


für die bevorstehende Regierungsbildung biete ich meine Kenntnisse und Erfahrungen daher unverdrossen und gern erneut an;


ich kündige hierdurch aber auch ausdrücklich den nach Artikel 20 des Grundgesetzes vorgesehenen Widerstand an,


wenn Sie es weiterhin offensichtlich als Ihre vornehmste politische Aufgabe ansehen, die Herstellung der verfassungsmäßigen Ordnung bzw. eines verfassungsgemäßen Zustandes in diesem unserem Lande nach besten Kräften zu hintertreiben

bzw. es weiterhin 'unternehmen', das bißchen, das sich trotzdem immer mal wieder ergibt, das sich das Volk, sowohl als Träger wie als Gegenstand von Verfassung und Demokratie, mehr oder weniger gegen Ihren Willen immer mal wieder erkämpft, konsequent zu beseitigen,

en gros wie en detail, d.h. bezogen auf Gesamtdeutschland und seine Einbindung in auswärtige, europäische, internationale bzw. globale Gegebenheiten und Verpflichtungen

wie unter besonderer Berücksichtigung auch der inneren Angelegenheiten, z.B. des sog. 'Aufbau Ost' sowie anderer pflege- und entwicklungsbedürftiger, innenpolitischer Aspekte,


wenn der Bundeskanzler wiederum die Kabinettsbildungskompetenz in nicht verfassungsgemäßer, d.h. dem Sinn und Inhalt der Verfassung entsprechender Form wahrnimmt und wiederum Minister zur Ernennung vorschlägt, die ihre Unfähigkeit, die elementarsten Angelegenheiten und Interessen, geschweige denn Wünsche des Volkes, der Gesellschaft, der Wirtschaft, des Staates ... zu regeln, bereits über Gebühr dargelegt und bewiesen haben,


wenn der Bundespräsident wiederum und widerspruchslos bereits erwiesenermaßen unqualifizierte und gleichwohl vorgeschlagene Minister einfach wieder so ernennt,


wenn der Bundestagspräsident wiederum und widerspruchslos solcherart vorgeschlagene und ernannte Minister einfach wieder so vereidigt,


wenn der Bundesverfassungsgerichtspräsident wiederum und widerspruchslos diesem rechts- und verfassungswidrigen Treiben einfach so zusieht,

statt sich auch mal darauf zu besinnen, daß in seinem Amt, in seiner Funktion als Bewahrer, Hüter und Treuhänder der Verfassung

die Aufgabe nicht nur ist, die Verfassung, gewissermaßen negativ, quantitativ, ständig auf ihre formale und bürokratische Belastbarkeit und Einschränkungen bzw. Begrenzungen hin zu prüfen,

sondern auch sicherzustellen, daß positive, qualitative Interpretationen und Entwicklungsmöglichkeiten erkannt und genutzt werden, bereits erreichte Standards weiter verbessert und kultiviert werden und wir vor allem nicht hinter bereits erreichte Standards wieder zurückgeworfen werden,


wenn der Bundesratspräsident wiederum und widerspruchslos
diesem nicht nur rechts- und verfassungswidrigen, sondern auch unprofessionellen, unernsten und unseriösen Treiben einfach so zusieht,

statt sich, in seinem Amt, in seiner Doppel-Funktion als eine Art geschäftsführender Aufsichtsrat dieses Staates auch mal darauf zu besinnen,

daß der Fisch zwar vom Kopf her stinkt, aber nur von seiner Basis her wachsen, blühen und gedeihen, sich entwickeln bzw. gegebenfalls auch wieder gesunden und stärken kann,

daß also ohne verfassungsgemäße und professionelle Arbeit in den Ländern und Kommunen auch im Bund oder gar darüber hinaus nichts wachsen, blühen und gedeihen ... kann,

nicht mal Landschaften, wie sich jetzt gerade ebenso leidvoll wie katastrophal gezeigt hat, und obwohl die doch der Liebe Gott von allein wachsen, blühen und gedeihen läßt,


wenn die bevorstehende Regierungs-Erklärung wiederum sich nicht nur als 'Unternehmung zur Beseitigung ...' bzw. als völlig untaugliches Mittel zur Herstellung einer verfassungsmäßigen Ordnung herausstellt,

sondern als regelrechter Angriff, als 'Kriegs-Erklärung' (!) an Verfassung und Demokratie und in diesem Sinne an das Volk;

ich grüße Sie herzlich
und in aller Hochachtung,

Eugen Möller-Vogt
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